… und damit meine ich nicht das Stromnetz
Bei der Durchsicht der Veröffentlichungen der letzten Woche fallen zwei Beiträge ins Auge, die ein Grundproblem der Energiewende in Deutschland beschreiben. Die Schwierigkeit von oben auf das System Stromnetz zu schauen, dennoch den Blick für das Detail nicht zu verlieren, ist für alle Medien (Fachzeitschriften, Blogs und Studien-Schmieden) gleich. Frank berichtet vom Ostdeutsche Energieforum “Wir lieben Braunkohle” und Next-Kraftwerke stellt die Frage “Wie gut ist unser Stromnetz?“. Verlinkt, Vernetzt – vermittelt wird ohne aufeinander Bezug zu nehmen, obwohl vielleicht der eine oder andere Leser ein Muster erkennt.
Leser von blog.stromhaltig kennen die vielen Beiträge zum Thema Redispatch. Durch das Engpassmanagement werden gerade im Jahre 2015 die Netzentgelte extrem belastet. Schuldig – im Sinne der Anklage – muss etwas Neues sein: Windkraft und Photovoltaik. Etwas anderes hatte man schließlich nicht geändert. Vielleicht aber doch, denn wir bauen nicht nur die Erneuerbaren auf, sondern steigen zeitgleich auch aus der Kernenergie aus. Dies würde weder für die Liebhaber der Braunkohle – noch für die Güte des Stromnetzes ein Problem sein, wenn es bereits eine Integration der Erneuerbaren in den Strommarkt und eine Extraktion der Atomkraft aus dem Markt gegeben hätte. Der bestehende Strommarkt leistet diese Aufgabe nicht – der geplante Strommarkt 2.0 verschlimmert die Situation sogar noch.
Bei Next-Kraftwerke schreibt man:
Im Bezug dazu nehmen die Eingriffe der ÜNB zur Stabilisierung der Stromnetze nur einen Bruchteil der insgesamt gehandelten Strommengen ein: In 2013 wurden 4,39 TWh über den Redispatch umgelegt (S. 17), also etwas weniger als 1% des Bruttostromverbrauchs. Allerdings wurde insgesamt in 7.965 Stunden des Jahres Redispatch-Maßnahmen durchgeführt, was gut 91% der gesamten Jahresstunden entspricht. Trotz der relativ geringen Strommenge, die die ÜNB über Redispatch umlegen, kommen diese Eingriffe also sehr häufig, beinah jeden Tag, vor – und die Eingriffe nehmen zu, was auch dem steigenden Anteil Erneuerbarer zugeschrieben wird.
Mit einem Blick in den eigenen Beitrag hätte man stutzig werden können, was die Ursache für die Redspatch-Maßnahmen angeht.
Allerdings traten diese Überbelastungen in fast allen Leitungen in weniger als 2% der Jahresstunden auf. Lediglich auf einer Leitung zwischen Remptendorf (Thüringen, 50Hertz) und Redwitz (Bayern, TenneT) kamen solche Engpässe in ungefähr 10% der Jahresstunden auf, was eine genauere Betrachtung rechtfertigt.
Gerade auf der Strecke von Thüringen nach Bayern hat sich in den letzten Jahren einiges getan, allerdings ist der Ausbau nicht ausreichend, um die Makrtveränderungen zu kompensieren. Auf dem Strommarkt haben die Erneuerbaren wenig bis keine Auswirkungen, denn sie werden zum Marktpreis verkauft – egal ob hoch oder nieder. In Konkurrenz stehen konventionelle Kraftwerke, die entlang der Merit-Order wechselseitig versuchen den Absatz zu steigern. Klassisch wurde der Strompreis von Atomkraftwerken als Basis gesehen, danach kamen die Braunkohlekraftwerke, dann die Steinkohle und den spätesten Markteintritt hatten die Gaskraftwerke. Vereinfacht kann man sagen, dass Gaskraftwerke ihre Erzeugung nur dann absetzen können, wenn der Preis an der Börse sehr hoch ist. Schnäppchen an der Börse kommen von der Verstromung in AKWs und Braunkohlemeiler. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie wurde das Gefüge im Niedrigpreissegment durcheinandergewürfelt. Unschön, dass Braunkohlekraftwerke nicht am gleichen Ort stehen, wie die Atomkraftwerke – so haben wir jetzt den Salat, dass diese Veränderung auch im Stromnetz irgendwie umgesetzt werden muss.
Entlang der gesamten Geschichte des Stromnetzes wurden niemals Großkraftwerke an Standorten gebaut, bei denen es keine Nachfrage gab. Vor 20, 30 oder 50 Jahren haben die Menschen auch schon versucht möglichst wenig Geld auszugeben. Es ist kein Zufall, dass die Kernkraftwerke dort stehen, wo sie stehen (bis auf Mühlheim-Kärlich a.D.). Ebenfalls ist es kein Zufall, dass im Umland von Braunkohlevorkommen die Industrie über die Zeit verändert wurde. “Bitteres aus Bitterfeld” hat bis heute Auswirkungen auf die Liebe in der Region. Nach der Wende sind blühende Landschaften entstanden und damit die Abnehmer von günstigem Strom mehr oder minder ausgestorben. Die Karte der Redispatches zeigt im September 2015, auf der einen Seite Engpässe im Stromnetz – auf der anderen Seite aber auch einen Wandel, bei denen die Infrastruktur des Stromnetzes den wirtschaftlichen Bedingungen hinterher hinkt.
Bei Frank (EnWiPo) steht:
Das Ostdeutsche Energieforum wurde vor vier Jahren gegründet, weil die Wirtschaft hier unter bis zu 40 % höheren Netzentgelten beim Strom leidet als im Westteil des Landes. Zudem unterstützte es die heimische Braunkohle und sieht sie als Partner der Energiewende. Beides Gründe, die man aus Sicht der hiesigen Wirtschaft nachvollziehen kann. Doch die vierte Ausgabe des regionalen Energietreffens, die heute zu Ende ging, betrachtet die Sache Energiewende recht einseitig.
Die Energieblogger sind vor einigen Jahren mit dem Ziel einer Vernetzung angetreten. Vor genau einer Woche traf man sich wieder in Kassel und gründete einen Verein – ein Quell von stetig neuen Berichten und Meldungen. Die Welt verändert sich zwar, aber dennoch kommt es einem so vor, als ob im Fluss der Zeit immer die gleichen Verschmutzungen auftreten, von denen man eigentlich dachte, dass bereits eine Hintergrundinfomation vorhanden war. Vielleicht für den einen oder anderen Leser etwas langweilig, aber es macht einfach Spaß immer wieder die gleichen Argumente etwas umformuliert zu schreiben. Das Memorandum zur Braunkohle könnte vielleicht ein Ausgangspunkt für die Vernetzung von Inhalten sein. Es ist unendlich schwer, wenn in den wenigen Zeilen/Worten eines Beitrags die ganze Welt der Energiewende dargestellt werden soll. Die Stärke der Energieblogger ist die Vernetzung und damit auch die Möglichkeit Wissen zu schaffen (in jeglicher Schreibweise).
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