Im Rahmen der öffentlichen Diskussion zum Strommarkt 2.0 werden bei blog.stromhaltig die einzelnen Maßnahmen vorgestellt. Hintergründe zur Serie finden sich im Übersichtsartikel. Zur Teilnahme an der Diskussion wird gebeten, die Kommtarfunktion des Blogs zu verwenden.
Die Stromerzeugung und der Verbrauch müssen immer in Balance sein, erreicht wird dies von Seiten des Marktes, indem Bilanzen gleichgestellt werden. Auf jeder Bilanz muss die erzeugte Strommenge (Eingang) für jede Viertelstunde gleich dem Verbrauch (Ausgang) sein. Jeder Akteur (Erzeuger, Stromanbieter, Netzbetreiber) führt seinen eigene Bilanz (=Bilanzkreis) und ist zur Gleichheit der Summen (Eingang/Ausgang) verpflichtet.
Im Weißbuch wird die Bilanzkreistreue eingeleitet mit:
Die Anreize zur Bilanzkreistreue sollten geprüft und bei Bedarf gestärkt werden. Diese Einschätzung teilen mehrere Länder, die Übertragungsnetzbetreiber, viele Umweltund Wirtschaftsverbände sowie zahlreiche Unternehmen. Wirksame Anreize zum Bilanzkreisausgleich seien wichtig für die Systemstabilität. Marktteilnehmer sollten möglichst selbst für einen ausgeglichen Bilanzkreis sorgen (zum Beispiel Rheinland-Pfalz und TenneT). Die Konsultationsteilnehmer haben unterschiedliche Auffassungen darüber, wie stark die Anreize zur Bilanzkreistreue optimiert werden müssen: Ein Teil spricht sich für eine deutliche Stärkung aus (zum Beispiel GVSt, Niedersachsen, ver.di); andere Teilnehmer sind dafür, zunächst die Wirkung zu überprüfen und sie nur bei Bedarf zu stärken (zum Beispiel BDEW, DIHK, E.ON). Einige Konsultationsteilnehmer halten die bestehenden Anreize für ausreichend (zum Beispiel EFET und RWE).
Das Ausgleichsenergiesystem ist der Hosenträger zum Gürtel des Bilanzkreismanagements. Hat ein Bilanzkreismanager (BKM) seine Energiemengen nicht ausreichend genau abgeschätzt, so ist hierfür Ausgleichsenergie einzukaufen, welche sowohl positiv (im Falle einer Unterdeckung) als auch negativ (im Falle einer Überdeckung) sein kann. Da dieses Geschäft ein wirtschaftliches Risiko ist, sind die BKMs bemüht, den Bedarf möglichst gering zu halten.
Im bestehenden Marktdesign bekommt der Stromkunde von der Bilanzkreisführung nichts mit. Kosten, die aus der Beschaffung von Ausgleichsenergie anfallen werden auf die Netzentgelte umgelegt und von allen Stromkunden des Netzbetreibers bezahlt. Leider spielt die Güte der Bilanzkreisführung nur eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Vergabe von Stromnetzkonzessionen gibt.
Besondere Relevanz hat die Maßnahme für mehr Bilanzkreistreue bei den Direktvermarktern (zum Beispiel Windstrom). Bei diesen Betreibern besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Güte der Einspeiseprognose und den Kosten für die Ausgleichsenergie. Wegen der wirtschaftlichen Implikationen ist in den vergangenen 10 Jahren ein Wettstreit um bessere Prognosen entstanden. Nicht selten hatten Prognoseabweichungen, die zu einer geringen Bilanzkreistreue führen, einen zweistelligen Prozentsatz der Angebotskosten ausgemacht. Es muss beachtet werden, dass große Anbieter wegen der räumlichen Verteilung von Windparks generell leichter eine passende Prognose abgeben können, als dies für kleinere Anbieter gilt – die Ungenaugigkeiten der Wettervorhersage hat eine geringe Auswirkung auf die Bilanzkreistreue.
Einige Teilnehmer wie BNE, VCI und VIK wollen keine höheren Pönalen durch das Ausgleichsenergiesystem. Stattdessen schlägt etwa der BNE vor, die Standardlastprofile zu überarbeiten und die Anreize für Netzbetreiber zur aktiven Bewirtschaftung ihrer eigenen Bilanzkreise zu verstärken.
Theoretisch steht hier eine Aufspaltung der Definition von Bilanzkreistreue. Anstelle die gleichen Mechanismen für alle Akteure an den Tag zu legen, sollen die Rahmenbedingungen geändert werden. Der Stromnetzbetreiber hat eine Bilanzungenauigkeit, wenn ihm der Stromverbrauch wegen Standardlastprofilen nicht bekannt ist – der Direktvermarkter hat eine Bilanzungenauigkeit, wenn die Wettervorhersage nicht stimmt.
Das Konstrukt der Bilanzkreise zur Herstellung einer Balance aus Erzeugung und Verbrauch, kann nur funktionieren, wenn die Unsicherheiten von Prognosen bei allen Akteuren behoben werden können. Daten, die zur Erstellung von Prognosen verwendet werden, müssen in einer hohen Güte vorhanden sein. Größere Marktteilnehmer werden bei diesem Konstrukt eher bevorzugt, da Prognosefehler in einer größeren Gesamtheit eher gegeneinander aufgelöst werden können.
Die Bilanzkreise und damit die Bilanzkreistreue hat eine indirekte Auswirkung auf die Kosten, die durch Stromkunden zu bezahlen sind. Nur bedingt kann der Letztverbraucher einen Einfluss auf diesen Kostenfaktor nehmen, obwohl er einige der Parameter kontrollieren kann. Eine anschlussscharfe Zuordnung dem Verursacher ist nicht möglich. Im Hybridstrommarkt wurde daher die Führung eines Bilanzkreises für jeden Netzanschluss gefordert. Mit Prosume existiert ein Framework, welches Micro-Bilanzkreise führen kann. Durch neue Produkte im Bereich des Energie-Managements und des Smart-Grids ist es bereits heute möglich, dass die Dienstleistung der Bilanzkreisführung parallel einem Haushverwalters an ein einen Dienstleister übergeben wird.
Bilanzkreistreue kann man mit Sicherheit auch über Regeln in der Marktgestaltung erreichen. Eine echte Macht geht allerdings immer vom Kunden aus. Wird der Stromkunde abgeschirmt von den Bilanzkeisen und derer Führung, so wird hier Potential verschenkt.
Forderungen:
- Generelle Überarbeitung der Regeln zur Bilanzkreisführung
- Liberalisierung durch Aufbau von Micro-Bilanzkreisen bis zum Letztverbraucher
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