Am vergangenen Dienstag kam es in 80 von 81 Provinzen der Türkei zu einem massiven Stromausfall, wie die Deutsch-Türkischen-Nachrichten berichten. In der Folge kam es zum üblichen Chaos, welches auftritt, wenn Straßenampeln nicht mehr funktionieren, oder die Metro nicht mehr fährt. Euronews hat die Folgen des größten Blackouts der letzten 10 Jahre in einem Videobeitrag festgehalten. Als Ursache für den Ausfall sind zunächst einige Gerüchte im Netz zu lesen gewesen. Ausgehend von einem Cyber-Angriff bis hin zu Verschwörungstheorien.
Die Wahrscheinlichste Ursache ist eine Kette von Fehlern, die in dieser Form auch in anderen Ländern zu jedem Zeitpunkt auftreten kann.
Energieexpertin Merve Erdil zufolge läge die wahrscheinlichste Erklärung jedoch in einer Kette von Fehlern. Laut Erdils Theorie setzte demnach eine Art „Domino-Effekt“ ein, als gegen ein Uhr morgens ein Kraftwerk in der ägäischen Region plötzlich nicht mehr produzierte und in der Folge zu einem Versorgungsschnitt von über 2.000 Megawatt geführt hätte. Dieser sackte gegen 10.02 Uhr am Morgen noch weiter ab, als das Atlas Wärmekraftwerk in der südlichen Provinz Hatay und das Kraftwerk Dicle Hydro im Südosten des Landes um 10.44 Uhr zum Stillstand gekommen seien. Im Zuge dieser abnormen Schwankungen der Frequenz in der Türkei, hätte sich dann der Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber(ENTSO-E) vorsichtshalber vom türkischen Netz getrennt. (Quelle Deutsch-Türkische-Nachrichten)
Zu Ausfällen von Kraftwerken kommt es immer wieder, weshalb blog.stromhaltig mehrere Dienste für Deutschland beobachtet und analysiert. Fällt ein Kraftwerk ungeplant aus, so fehlt dessen Energie und die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch gerät durcheinander. Erkennbar wird dies in der Netzfrequenz, wodurch Mechanismen zur Absicherung wie die Regelenergie aktiviert werden. Reicht die aktivierte Regelenergie nicht aus, so wird in einem gekoppelten nationalen Netz auch aus den Nachbarländern Strom bezogen.

ENTSOe, oder auch Europäischer Netzgregelverbund, wacht über den Austausch von Strom zwischen den einzelnen Übertragungsnetzen/Regelzonen. Die Türkei ist an dieses Netzwerk via Griechenland angebunden. Für den Zeitpunkt des Blackouts kann man allerdings sehr deutlich erkennen, dass Griechenland selbst gerade eine negative Erzeugungsbilanz hatte und deshalb nur wenig zur Stützung des Türkischen Stromnetzes beitragen konnte. Es folgt die Entkopplung des Landes, um nicht den Rest des Regelverbundes zu gefährden. Den Zeitpunkt der Entkopplung lässt sich auch an der Netzfrequenz in Deutschland erkennen.
Zugriff auf den Plot und seine Rohdaten stehen online zur Verfügung.
Ab diesem Zeitpunkt war das türkische Stromnetz eine Insel und musste selbst für eine Stabilisierung der Lage sorgen. Dies ist allerdings schwierig, da die nun deutlich kleinere Netzgröße die Herstellung der Balance aus Erzeugung und Verbrauch weiter verschärft. Es ist davon auszugehen, dass die ohnehin erhöhte Frequenz in Europa zum Zeitpunkt der Entkopplung zu einem sofortigen Absturz der Netzfrequenz nach der Entkopplung in der Türkei geführt hat. Ein Blackout innerhalb der gesamten Regelzone des Landes könnte nur mit sehr viel vorgehaltener rotierender Masse verhindert werden.
Ist erst einmal eine Insel ausgebildet und der Blackout vorhanden, dann tritt für die Regelzone der sogenannte Schwazstart-Fall ein. Wasserkraftwerke sorgen zunächst für eine Frequenz im Netz, wobei alle Verbraucher abgekoppelt sind. Erst danach können die anderen Kraftwerke langsam zugeschaltetet werden, wobei dies synchron mit Verbrauchern geschehen muss. Stimmt die Synchronität nicht, so geht die Frequenz wieder aus den Limits, da zuviel oder zuwenig Strom im Netz ist. Erst nach erfolgreicher Stabilisierung kann die Frequenz des Landes mit der europäischen Frequenz synchronisiert werden und eine Netzkopplung hergestellt werden. Im Falle des Stromausfalls in der Türkei hat dies 9 Stunden gedauert.
Schließlich könnte der Blackout auch auf strukturelle Probleme zurückzuführen sein. Dieser Theorie zufolge führte die Privatisierung aller 20 Stromverteilernetze im Jahr 2013 zu einem ausgesprochen unübersichtlichen Markt. Die Betreiber einzelner Erdgaskraftwerke etwa würden eigenmächtig über ihre Produktion entscheiden, so die Hürriyet. Problematisch sei das gerade an unprofitablen Stunden oder Tagen, wenn zudem die Preise niedrig seien.
Wahrscheinlich ist der tatsächliche Grund des Ereignisses in der mangelnden Zusammenarbeit begründet. Wie man aus den Folgen der Netzentkopplung sehen kann, ist ein Stromnetz eine fragile Solidargemeinschaft, bei der Kommunikation und Zusammenarbeit nicht immer ökonomischen Regeln folgt. Zwar ist in Deutschland wegen der zentralen Lage innerhalb Europas eher nicht von einer Entkopplung bedroht, jedoch zeigen aktuelle Meldungen hierzulande, dass es auch zu strukturellen Problemen gekommen ist.
Die ewige Feindschaft zwischen Fossilen und Erneuerbaren, großen und kleinen Erzeugern, privaten und industriellen Stromkunden macht einen Stromausfall in Deutschland immer wahrscheinlicher. Es sei betont, dass hier nicht die Physik verhindert, sondern der fehlende Willen die Versorgungssicherheit gemeinsam zu realisieren.
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