“Gibt es nicht = geht nicht” ein Motto, welches nirgends wo anders so weit verbreitet ist, wie in der Energiewirtschaft. Im Jahre 2007 haben sich die Stromer in Deutschland auf den Weg zu intelligenten Stromzählern gemacht….
Heute, acht Jahre später, findet sich noch immer in kaum einem deutschen Haushalt ein intelligenter Zähler. Dabei sollte das Projekt längst die Stromversorgung von Millionen Verbrauchern demokratisiert haben. (Stefan Schultz bei Spiegel Online)
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Regulierung und Bewirtschaftung der Stromversorgung in Deutschland einen komfortablen Status Quo im bestehenden Marktdesign gefunden haben.
Lastverschiebung bei privaten Stromkunden
Am 26.03.2012 wurden die Ergebnisse der Modellstadt Mannheim (Moma) zum zweiten Praxistest veröffentlicht. Ein sehr interessantes Fazit zeigt, was eigentlich aus Sicht der Stromkunden verständlich ist:
Im Praxistest konnte gezeigt werden, dass Haushalte auf mehrere Arten auf variable Strompreise in Verbindung mit Energiebutler und Verbrauchsrückmeldung reagieren. Sie berichten, ihr Stromverbrauchsverhalten durch geringeren Stromverbrauch sowie durch Lastverlagerung in günstigere Zeiten verändert zu haben. Motiviert werden die Teilnehmer dabei primär durch Kosteneinsparungen und durch das Gefühl, zum Klimaschutz und zur vermehrten Einspeisung Erneuerbarer Energien beizutragen.
Es werden 6-8% Lastverschiebung festgestellt, was ein beachtliche Menge ist, bedenkt man, dass die Prämissen des Tests nicht sonderlich förderlich waren.
Bei der Modellstadt Mannheim wurden statische Zeiten verwendet, dies widerspricht der Idee, dass eine vom Wetter abhängige Stromerzeugung die Notwendigkeit schafft einen Tarif variabel zu gestalten. Der Versuch ist daher eher mit der Einführung von Nachtspeicherheizungen in den 1970er Jahren vergleichbar, bei denen der Verbrauch in den Nachtstunden der Überproduktion angepasst werden sollte. Der große Gegensatz zwischen dem Atomzeitalter und der Stromwende ist, dass man damals versuchte eine Anhebung der Grundlast hinzubekommen. Es wurde von einer Verstetigung gesprochen – dem Gegenteil von reaktivem Verhalten der Stromkunden. Die Lebenswirklichkeit heute sieht bei vielen Haushalten eine sehr impulsive Nachfrage vor, welche man gerade bei der Diskussion um die “Gänsebratenspitze zu Weihnachten” beobachten kann.
Der Stromkunde als Schuldner für die monetäre Ausstattung des Intelligenten Stromnetzes. Das Problem der Profil-Treue, also des Stromverbrauchs, wenn es nicht/wenig vorhersehbar ist, bereitet den Verteilnetzbetreibern zunehmend Probleme (vergl. Lastganganalyse Strom). Dabei ist der Stromkunde selbst deutlich reaktiver geworden, als in früheren Jahren. Bei den Feldtests des Grünstrom-Index konnte ein Verschiebepotential von 25-27% festgestellt werden. Der Stromkunde ist ohne geldwerten Anreizfaktor in der Lage ein Viertel seines Stromverbrauchs zu planen und zu kontrollieren.
Werte über 50% werden zur Zeit von sogenannten Eigenstromkunden gemeldet. Stromkunden, die eine eigene Erzeugungsanlage (meist PV) besitzen, und einen Speicher verwenden, der ihnen eine Zwischenspeicherung des selbst erzeugten Stroms erlaubt. Im Gegensatz zu den Werten der Modellstadt Mannheim und dem Grünstromindex liegt in diesem Falle jedoch eine klarer monetärer Anreiz durch die Gewinnoptimierung der getätigten Investition vor.
Fehlende Lastgangdaten
Durch eine dauernde Fristverlängerung und einer sehr negativen Studie von Ernst & Young in 2013 über den Nutzen sogenannter Intelligenter Stromzähler, fehlt es nicht nur an Motivation, sondern schlicht an den Daten für eine aktive Bewirtschaftung der Stromnetze. Die Standardlastprofile werden selbst bei der Planung von PV-Speicherlösungen verwendet, obwohl bekannt ist, dass kaum ein Haushalt in den Nachtstunden eine hohe Grundlast besitzt, wie es dass Modell vorsieht.
In §12 (1) der StromNZV steht:
Die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen haben im Niederspannungsnetz für die Abwicklung der Stromlieferung an Letztverbraucher mit einer jährlichen Entnahme von bis zu 100 000 Kilowattstunden vereinfachte Methoden (standardisierte Lastprofile), Zählerstandsgangmessung anzuwenden, die eine registrierende Lastgangmessung nicht erfordern.
Dies zunächst wie ein Schutz des Stromkunden an, denn er wird nicht verpflichtet einen Zähler zu installieren, der eine Lastgangmessung durchführt. Praktisch ist eine solche Messung definiert durch 15 Minutenwerte, die spätestens am Folgetag dem Verteilnetzbetreiber übermittelt werden. Hierfür ist eine Datenverbindung notwendig, oder ein Dienstleister, der den Austausch organisiert.
In der Verfahrenspraxis wird dieser Verbraucherschutz jedoch gegen den Stromkunden verwendet. Selbst wenn der Verbraucher auf ein Ereignis (zum Beispiel Wetter) reagieren würde, bringt dies dem Stromanbieter (Tarif) keine Vorzüge. Der in den Nachtstunden relativ hoch gesetzte Verbrauch des Standardlastprofils H0, muss vom Anbieter bereitgestellt werden. Stichproben haben ergeben, dass Verteilnetzbetreiber den Netzzugang verweigern, wenn zum Beispiel mit einer üblichen Verbrauchsmenge von 3050 Kilowattstunden pro Jahr versucht wird eine Belieferung entlang des Lastgangs umzusetzen.
Auf Nachfrage geben die Verteilnetzbetreiber an, dass die IT-Infrastruktur zur Abrechnung nicht in der Lage ist mit diesen Messwerten zu arbeiten. Eine Abwehrhaltung, die verständlich ist, solange der Status Quo der Belieferung von privaten Stromkunden mit statischen Tarifen im Energy Only Markt beibehalten wird. Ein Scheinbedarf an elektrischer Energie gerade in den Nachtstunden treibt die Kosten für die Bereitstellung sogenannter gesicherter Kapazitäten in die Höhe.
Auswirkung auf das Strommarktdesign
Abweichungen des Stromverbrauchs und der Erzeugung liegen in der Natur der Sache. Kurzfristig werden steigen die sogenannten reBAP-Kosten für die Bereitstellung von sogenannter Ausgleichsenergie. Die hier anfallenden Beträge liegen zum Teil bei +1000% des Börsenstrompreises. Es sind Kosten, die jedoch über Netzentgelte verallgemeinert werden können und somit lediglich den Letztverbraucher belasten.
Langfristige Fehleinschätzungen des Verbrauchs oder der Erzeugung führen im aktuellen Martdesign zu einer Veränderung in den notwendigen Reservekraftwerken. Zu den hier anfallenden Kosten schreibt die Bundesnetzagentur (vergl. Mit Kaltreserve Geldverdienen):
In dieser Weise in Anspruch genommene Kraftwerksbetreiber erhalten die ihnen entstehenden Erzeugungs- und Betriebsbereitschaftsauslagen vom anweisenden Übertragungsnetzbetreiber erstattet. Die dem Übertragungsnetzbetreiber dadurch entstehenden Kosten kann dieser wiederum in die Netznutzungsentgelte wälzen, sodass schliesslich die Netznutzer die Kosten für die notwendigen Vorhaltungen und Heranziehungen der systemrelevanten Erzeugungsanlagen zahlen.
Es bleibt festzuhalten, dass eine mögliche Reaktion des Stromkunden auf eine Verknappung aktuell nicht vorgesehen ist, und durch die Verteilnetzbetreiber verhindert wird. Für die dadurch entstehenden Folgekosten im Zuge von reBAP und Reservekraftwerken ist der Stromkunde jedoch vollhaftend.
Fazit für den Hybridstrommarkt
Beim Design des Hybridstrommarktes wurden die Erfahrungen der Modellstadt Mannheim sowie des Grünstrom-Index eingearbeitet. Durch die zeitsynchrone Verrechnung der Erzeugung und des Verbrauchs kann das Potential der Lastverschiebung vollständig genutzt werden.
Der Anreiz auf einen intelligenten Stromzähler umzusteigen, wird aus einer gesetzlichen Verpflichtung umgewandelt in eine Barriere für den Marktzugang. Es obliegt den Anbietern entsprechend für den Kunden attraktive Angebote zu gestalten.
Gerade von den Eigenstrom-Nutzern konnte die Erfahrung gesammelt werden, dass der Wunsch nach einer Ertragsoptimierung von getätigten Investitionen zu einem erstaunlichen Potential an Lastverschiebung führt. Mit dem Hybridstrommarkt wird dieses Potential auch Kunden zugänglich gemacht, die keinen Zugang zu einer Eigenstromanlage besitzen.
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