Das Stromnetz in Europa hat eine Sollfrequenz von 50 Hertz. Wird mehr Strom aus dem Netz genommen, dann geht die Frequenz (leicht) zurück. Wird mehr erzeugt, dann steigt die Frequenz. Die sogenannte Regelenergie sorgt dafür, dass die Erzeugung dem Verbrauch angepasst wird und die Grundbedingung für eine stabile Stromversorgung immer gilt: Es wird soviel Strom erzeugt, wie zum gleichen Zeitpunkt verbraucht wird. Zur weiteren Lektüre wird die Master-Thesis von Markus Jaschinsky empfohlen:
Treuen Lesern sollte Markus bereits bekannt sein, denn er ist der Mensch hinter dem Blog Netzfrequenz.info und Lieferant für die Rohdaten gewesen. Danke!
Langfristiges Ziel soll es sein, den Einsatz der Regelleistung möglichst vor dem Bedarf zu erkennen. Dies könnte für Anbieter ein Entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Wie bereits im Beitrag “Das Stromnetz als Beweis vor Gericht” geschildert, ist die Analyse der Netzfrequenz auch noch für viel mehr Szenarien relevant.
Bevor es bei blog.stromhaltig um die Vorhersage geht, soll in diesem Beitrag zunächst ein Gespür für die Daten entwickelt werden. Bei der Daten-Analyse ist dies ein wichtiger erster Schritt, der immer durchgeführt werden sollte. Er dient unter anderem die Validität der Messwerte zu prüfen und grundlegende Hypothesen aufzustellen.
Rohdaten
Eine Frequenzdatenbank ist eigentlich immer nach dem gleichen Schema aufgebaut:
Zeitstempel,Frequenz
Das Material, welches ich von Markus erhalten habe, besitzt einen Wert pro Sekunde. Bei der Erstellung einer Vorhersage (Forecast) mit Hilfe einer Zeitreihenanalyse ist dies zwar hilfreich, wird aber die Algorithmen überfordern, wenn man mehr als ein paar Sekunden in die Zukunft schauen möchte. Grund hierfür ist, dass die verwendeten Berechnungen eine Ungenauigkeit für jeden “Schritt” in die Zukunft zum Quadrat haben. Für eine Einsatzprognose von Regelleistung ist daher eine Aggregation notwendig.
Aggregation
Unter Aggregation wird die Zusammenfassung mehrerer Einzelwerte zu einem Wertesatz bezeichnet. Im ersten Anlauf sollen die Sekundenwerte zu Minutenwerte zusammengefasst werden. Bei der Kursanalyse an Börsen hat sich dabei eine Aggregation bewehrt, die folgende Werte beinhaltet:
- Zeitstempel
- Öffnungskurs (=>Frequenz am Anfang der Minute)
- Schlußkurs (=>Frequzenz am Ende der Minute)
- Mittelkurs (=>Arithmetisches Mittel der Frequenz)
- Höchterkurs (=>Höchste Frequenz in der Minute)
- Niedrigsterkurs (=>Niedrigste Frequenz in der Minute)
Die Praxis, wird zeigen, dass zum Zeitpunkt der Aggregation gleich einige Hilfswerte berechnet werden sollten.
- Minute des Tages
- Wochentag
- Spreizung (Hoch-Tief)
Software
Nach der Aggregation hat man im Prinzip eine neue CSV Datei, die nun mehr Felder – aber weniger Reihen – enthält. Damit lassen sich logische Regeln aufbauen (zum Beispiel Random Forrest, Liniear Reg, …). Es gibt viele verschiedene Software-Plattformen, die dies erlauben. Die aktuell am einfachsten zu erlernende ist WEKA (gleich Version 3.7.x!). Weka ist ein Data-Mining Tool, welches von der Neuseländischen Universität in Waikato entwickelt wurde.
Erste Analyse
Zunächst eine Visualisierung der Öffnungsfrequenzen – die Kurve sollte mit der Kurve der Schlußfrequenz mehr oder minder übereinstimmen. Schaltet man innerhalb von WEKA zwischen der Visualisierung der beiden Attribute hin und her, kann man einen schnellen Eindruck darüber bekommen, ob genügend “Minuten” (Datensätze) im Sampel vorhanden sind. Als Anhaltspunkt arbeite ich meist mit 12 Tagen = 17600 Werte – dies lässt einen normalen Notebook noch Ergebnisse in Sekunden liefern.
Als nächstes sollte ein Blick auf die Spreizung geworfen werden. Zur Erinnerung – dieser Wert gibt an, in welchem Band die Netzfrequenz innerhalb einer Minute geschwankt ist. Sehr schön ist auch hier die Glockenkurve zu erkennen, die von automatisierter Netzsteuerung hervorgebracht wird. Der Grund für den Peak bei 0,025 Hz kann man gerne im ENTSOe Handbuch nachlesen 🙂
Zweite Analyse
Das finale Ziel soll es sein eine Prognose für die Zukunft abzugeben. Bislang wurde lediglich die genaue Minute für die Berechnung verwendet. Man erleichtert sich die Auswertung, wenn man bei der Aggregation zusätzlich noch weitere Hilfswerte ausgibt (in WEKA Lag genannt):
- Minute der Stunde (0-60)
- Minute des Tages (0-1440)
- Wochentag (0-6)
- Stunde des Tages (0-23)
Visualisiert man zum Beispiel die Minuten der Stunde gemeinsam mit der Spreizung, so stellt man fest, dass es in der ersten Minute jeder Stunde die größten Spreizungen in der Frequenz gibt – gefolgt von den 15 Minuten Grenzen (:15, :30, :45).
Handel und die Netzfrequenz
Das Ergebnis der zweiten Analyse war zu erwarten und wurde bei blog.stromhaltig bereits erörtert. Der Strom wird in Stundenblöcken – und neu in 15 Minutenblöcken – gehandelt. Aus dem Ergebnis der Handelstätigkeit ergibt sich für die Netzbetreiber ein sogenannter Fahrplan, der vorgibt, welcher Strom von welchem Ort zu welchem Ort transportiert werden soll.
Was passiert an den Stundengrenzen?
Die Netzbetreiber schalten das Netz um, d.h. in einem Umspannwerk wird von einer Leitung der Strom weggenommen, eine andere Leitung wird zugeschaltet. Da die Leitungen jedoch unterschiedliche Längen haben, die 50 Hertz Netzfrequenz sich nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, stimmen die Frequenzkurven nicht vollständig überein.
Wie blog.stromhaltig von einem Netzbetreiber bestätigt wurde, kann es zudem zu kurzzeitigen Ringflüssen kommen (beide Leitungen sind aktiv). Man könnte den gemessenen Effekt vergleichen mit dem Knacken in einem Lautsprecher, wenn man zu Hause den Staubsauger ein/aus Schaltet.
Ausblick
Bis zur Prognose der Regelenergie ist es noch ein paar Beiträge weit. Die Analyse der Netzfrequenz ist jedoch relativ leicht nachvollziehbar und diese Einführung soll zum Nachmachen animieren.
Spannend ist zum Beispiel eine Auswertung der Handelsvolumen an der EPEX-Spot im Vergleich zu den Spreizungen. Gerne als Übung ausprobieren. Tipp: Wetterlage anschauen!
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