
Für den Handel mit elektrischer Energie gibt es verschiedene Märkte. Durch den Stromhandel wird sichergestellt, dass die jeweiligen Stromanbieter (Kunden) jeweils soviel Strom in einkaufen, wie ihre Abnehmer (Letztverbraucher) gerade benötigen. Die Anbieter (Verkäufer) sind die Kraftwerke und Stromerzeuger. Handel ist ein kaufmännischer Vorgang, der allerdings eine Auswirkung auf die physikalischen Eigenschaften des Netzes hat. Ein Wechsel der Anlagen die gerade Strom erzeugen sorgt dafür, dass ein Sicherungsmechanismus des Netzbetriebes kurzzeitig aus dem Takt gerät und erst wieder stabilisiert werden muss. Geregelt wird dies über die Netzfrequenz, die regelmäßig an den Stundengrenzen vom Sollwert 50Hz abweicht, wie man aus einer Analyse von Netzfrequenz.info entnehmen kann.
22:00 Uhr – Schichtübergabe im Großkraftwerk.
Der Schichtführer teilt seinen zwei Kollegen der Nachtschicht mit, dass das Trading für 23:00 bis Mitternacht den Zuschlag zur Lieferung von 500 MW(h)gemacht hat. Pünktlich um 23:00 legt der Techniker den Schalter um und das Kraftwerk pumpt seine Leistung in das Netz – mit dem ersten Glockenschlag um 24:00 Uhr wird der Schalter in die andere Richtung umgelegt und das Kraftwerk ist wieder vom Netz.
Es ist eine erfundene Geschichte, die noch dazu etwas vereinfacht ist. Sie macht allerdings transparent, was passiert, wenn man die Leistung eines großen Kraftwerkes auf einen Schlag in das Netz bringt, da man sich dazu vertraglich – über den Stromhandel – verpflichtet hat. 500 MWh die Zeitgleich mit einigen anderen Kraftwerken ihre Einspeisung verändern – synchron im Takt der Atomuhr. 500 MWh das entspricht 500 Windkrafträdern, die auf einen Schlag von 0 Umdrehungen auf maximaler Geschwindigkeit drehen.
Gradienten und die Netzfrequenz

Zur Haltung der Netzfrequenz ist die Regelenergie/Regelleistung vorhanden. Die Übetragungsnetzbetreiber überwachen ständig die Netzfrequenz und versuchen diese in Grenzen um den Sollwert (50 Hz) zu halten. Festgelegt wird dies im Betriebshandbuch des europäischen Verbundnetzes (ENTSOe) im Kapitel Load-Frequency Control and Performance. Steigt zum Beispiel der Verbrauch, geht die Frequenz zurück. Über die Primärregelleistung (PRL) wird mehr Energie in das Netz eingespeist und die Frequenz steigt wieder an. Dieser Mechanismus (und die Folgemechanismen der SRL und MRL) sind eigentlich gedacht und konzipiert für den normalen Ausgleich von Lastschwankungen. Frequenzschwankungen, die durch den Handel mit Strom ausgelöst werden sind aber nicht normal, oder natürlich.
- Netzfrequenz bei der Earth Hour 2013 – Quelle: Netzfrequenz.info
Die alljährlich stattfindende Earth Hour ist ebenfalls keine natürliche Schwankung im Lastgang. Noch im Jahre 2007 ging man davon aus, dass um 20:30 am Samstag der Initiative des WWF, die Lichter ausgehen (vergl. Telepolis: Blackout als Folge der Aktion “Licht Aus”). Für das Jahr 2013 stellt Markus Jaschinsky in seinem Beitrag fest:
Der Frequenzverlauf zeigt während der “Earth Hour” keine Besonderheiten. Die Netzfrequenz steigt um 20:30 Uhr nicht an. Es ist sogar ein Abfall der Netzfrequenz um ca. 40mHz zu beobachten.
Das der Abfall um 40mHz “normal” ist wird im Beitrag am Beispiel eines Vergleiches mit der Vorwoche der Earth Hour erklärt. Der Vergleich zeigt auch, dass die Frequenzschwankung um 21:00 Uhr nicht etwa verursacht wurde durch das Anschalten vieler Lichter nach der Aktion, sondern ebenfalls Normalität ist – und an jedem Tag auftritt. Verursacht durch den Handel mit Strom. Der Earth Hour Vergleich hilft allerdings dabei die Tragweite der Netzturbulenzen durch die Stundenkontrakte in Relation zu einem Ereignis zu setzen, vor dem sogar gewarnt wurde…
Börsenhandel ungeeignet für Strom
Die Schwankungen in der Netzfrequenz an den Stundengrenzen sind ein Symptom des Handels mit elektrischer Energie. Weitere Symptome lassen sich leicht finden, wenn man sich den Handel noch etwas näher anschaut, zuvor sollte allerdings eine Charakteristika von Waren stehen, die sich sehr leicht an der Börse handeln lassen.
Die wohl bekannteste Börse ist die Aktienbörse. Aktien eines Unternehmens sind immer gleich, dadurch macht es keinen Unterschied, von welchem Verkäufer man diese erwirbt. Da der Aktienhandel mittlerweile vollständig von Computern abgedeckt wird, ist die Entfernung spielt die räumliche Entfernung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer keine Rolle. Bei elektrischer Energie ist dies anders, denn durch Übertragung über Fernleitungen geht rund 1% je 100km der übertragenen elektrischen Energie als Netzverlust verloren. Kompensiert wird diese durch sogenannte Verlustenergie, die von den Netzbetreibern zugekauft und als Netzentgelt an die Endkunden weiter gegeben werden.
Bei einem Handelsgeschäft von 100 MW bei dem sich Käufer (Flensburg) und Verkäufer (Berchtesgaden) auf einen Preis von 4.000€ einigen, würde isoliert betrachtet eine Verlustenergie von 9%/9MW oder 360€ als Kosten beim Stromkunden hängen bleiben. Real existieren solche Fälle nicht, da über das Netz selbst und das Vorhandensein vieler Käufer und Verkäufer kein tatsächlicher Austausch der Ware Strom stattfindet.
Zur Vollständigkeit sei gesagt, dass es verschiedene Stromhandelsplattformen gibt, bei denen unterschiedliche Produkte gehandelt werden. In der Unterlagen zu einer Vorlesung an der Uni Münster beschreibt Dr. Thomas Niedrig leicht verständlich, welche Plattformen es gibt. Auch wird auf Seite 37 eigentlich auf den Punkt gebracht, wieso die einzelnen Facetten der Physik nicht im Handel berücksichtigt werden können:
Für die effektive Durchführung von Handelsgeschäften ist es erforderlich sich am Markt zu einigen wie die Produkte aussehen sollen mit denen der Handel erfolgt.
Das Produkt 1 MW (Peak, Base, Intraday, …) Strom ist immer gleich, egal ob in Flensburg, Berchtesgaden oder einem anderen Ort, der im Bereich des Marktes sich befindet.
Gefahr von lokalen Gradienten im Strommarkt
Kraftwerke haben einen festen Standort, wohin deren Strom verkauft wird ist allerdings nicht vorherbestimmt. Durch die Anonymität des Marktgeschehens kann es zur Ausbildung von starken Gradienten kommen. Gebiete, bei denen durch Folgende des Marktes zu einer hohen Erzeugung oder zu hohem Verbrauch kommt.
Grafisch kann man sich dies so vorstellen, als ob der Strommarkt (Deutschland) zunächst eine Fläche ist. Bei einem Handelsgeschäft entsteht ein Berg auf Seiten des Verkäufers (Erzeuger) und ein Tal auf Seite des Käufers (Verbraucher). Im Rahmen des Handels spielen die Stromleitungen keine Rolle – man geht davon aus, dass die Hänge mühelos ausgeglichen werden können. Jede Stunde ändert sich allerdings bei der Fälligkeit neuer Stundenkontrakte die Geländegestaltung. Dies funktioniert solange gut, bis es nicht zu extremen Häufungen in einem Gebiet kommt.
Das Stromnetz, besonders das Übertragungsnetz, hat beim Stromhandel die Aufgabe die Steigung und die Gefälle zwischen den verschiedenen Gebieten auszugleichen. Eingepreist wird dies allerdings nicht. Netzausbau bedeutet für den Stromhandel, dass eine höhere Steigung und ein höheres Gefälle möglich wird.
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