
Gestiegene Strompreise, verändernde Lebensgewohnheiten, Wetter… – Faktoren, die das Verhalten von Stromverbrauchern beeinflussen existieren viele. Eigentlich müsste man annehmen, dass durch die öffentliche Diskussion um die Energiewende ein bewussterer und damit veränderter Umgang mit der Ressource Strom stattgefunden hat. Zumindest in den Zahlen des Verteilnetzbetreibers Syna (Tochter der Süwag/RWE) ist dies nicht erkennbar – im Gegenteil: Trotz gleichen Prognoseverfahrens treffen die Vorhersagen im Jahre 2012 eher mit der Wirklichkeit als noch im Jahre 2011 oder 2012.
Vor einigen Tagen hatte ich hier im Blog die Frage gestellt, ob das Ende des statistischen und analytischen Lastprofils gekommen ist? Im Beitrag wurde das Verfahren der parametrischen Lastprofil Bildung beschrieben, die deutlich bessere Prognosequalitäten bringt als die anderen beiden Verfahren. Wie gut die Prognosen zutreffen lässt sich in der Differenzbilanzierung der Verteilnetzbetreiber ablesen. Wird das statistische Lastprofil verwendet und sind mehr als 100.000 Stromkunden vorhanden, dann sind nach §12 StromNZV (3) die Betreiber zur Veröffentlichung der Zahlen verpflichtet. Leider sind diese Daten nicht immer auf den Webseiten auffindbar (s.h. Verteilnetzbetreiber: Verpasste Fristen…). Dankenswerterweise liegen die Daten der Syna nach Anfrage von blog.stromhaltig nun vor und können untersucht werden.
Differenzbilanzierung

Im Idealfall muss die Stromerzeugung mit dem Stromverbrauch zu jedem Zeitpunkt übereinstimmen. Um dies zu erreichen, werden für die Kraftwerke sogenannte Fahrpläne erstellt, die dem Lastgang der Endverbraucher folgen. Die Netzbetreiber erstellen dafür im Vorfeld eine Lastprognose.
Schließt ein Kunde einen Stromlieferungsvertrag mit einem Stromanbieter ab, so wird dieser beim Netzbetreiber ein Standard Lastprofil “H0” (Privatkunde) prognostizieren. Dies bedeutet, dass für alle 15 Minuten ein statistischer Wert angenommen wird, den dieser Kunde wahrscheinlich verbraucht (s.h. Diagramm). Ermittelt wird dieser Wert nach einem Verfahren, welches um die Jahrtausendwende vom damaligen VDEW (heute BDEW) entworfen worden ist. Den jährlichen Strombedarf eines Kunden multipliziert man mit einem Faktor aus einer Tabelle und erhält eine Leistungsaufnahme für einen spezifischen 15-Minuten-Block. (Übrigens ein Grund, warum man beim Abschluss eines neuen Stromvertrages immer nach dem Jahresverbrauch gefragt wird.)
Selbstverständlich wird der prognostizierte Wert auf Basis einer Standardtabelle nicht mit der Realität übereinstimmen. Die Differenz aus dem Soll-Wert und dem Ist-Wert landet vorzeichenrichtig im Ergebnis der Differenzbilanzierung des Verteilnetzbetreibers.
Ausgleichsenergie
Der zuviel oder zuwenig prognostizierte Strom wird durch Ausgleichsenergie vom Netzbetreiber beschafft. An dieser Stelle sei angemerkt, dass bewusst noch nicht die der Begriff Regelenergie/Regelleistung verwendet wurde. Im Deutschen Bundestag hatte die Unterscheidung im letzten Jahr für etwas Verwirrung gesorgt – leider finde ich dazu keine vollständige Aufzeichnung mehr.
Egal ob es sich um positive oder um negative Ausgleichsenergie handelt, hat diese ihren Preis. Dieser Preis wird an den Tarifanbieter weiterbelastet und kann über die veröffentlichten Bilanzierungen validiert werden. Die Netto-Kosten für den Strom, den ein Endverbraucher zahlt setzt sich somit aus den Einkaufskonditionen des Tarifanbieters, der ein Standard Lastprofil eindeckt plus die Kosten für die Ausgleichsenergie zusammen. Mit Blick auf die Strompreise ist ein geringer Anteil von Ausgleichsenergie wünschenswert.
Beim Stromhandel ist die Eindeckung eines Standardlastprofils relativ einfach, da hier sehr viele Erzeuger auf dem Markt auftreten und die Strommengen sehr hoch sind. Viele Anbieter verbunden mit vielen Abnehmern hat meist eine selbstregulierende Marktsituation und Stabilisierung zur Folge. Im Bereich der Ausgleichsenergie ist die Anzahl der Anbieter deutlich geringer.
Die Abgrenzung der Ausgleichsenergie und der Regelenergie lässt sich am einfachsten am Beispiel des analytischen Lastprofilverfahrens erklären. Bei diesem Verfahren erstellt der Netzbetreiber eine Prognose für die gesamte Netzlast und teilt diese dann anschließend auf die Endverbraucher anteilig auf. Netzbetreiber mit einem analytischen Lastprofilverfahren haben daher keine Differenzbilanzierung, dennoch erstellen sie Prognosen für das gesamte Netz. Die Abweichung aus dieser Prognose kann den Rückgriff auf die Regelenergie notwendig machen – dies geschieht allerdings durch die Übertragungsnetzbetreiber und nicht durch die Verteilnetze. Selbstverständlich gibt es auch für Netze mit einem statistischen Lastprofilverfahren eine Prognose, die vom oben beschriebenen Verfahren abweichend erstellt wird.
Ursachen für Prognoseabweichungen

Auch wenn für das Jahr 2012 der Fehler in der Prognose über das Standard-Lastprofil H0 geringer geworden ist, so ist er dennoch vorhanden. Bereits durch eine sehr einfache Visualisierung lässt sich erkennen, was ursächlich dafür verantwortlich ist. Im Jahre 2012 war der Februar ein relativ kühler Monat (s.h. EcoWetter – Mainz) – aber auch für die restlichen Monate des Jahres legen die Prognoseabweichungen einen Zusammenhang mit der Außentemperatur nahe. Durch die Aufnahme von mehr Parametern beim Vergleich der Abweichungen lassen sich genauere Regeln finden (s.h. Fachbeitrag – Beispiel “Freiburg”).
Belastung für die Energiewende
Im Zuge der Einführung eines Smart-Grids in Deutschland wird auch über sogenannte “Demand-Responds” Möglichkeiten nachgedacht. Vereinfacht geht es um die Nutzung von verschiebbaren Lasten. Im Bereich der Letzverbraucher von Strom wird hier als ein Mittel dynamische Strompreise diskutiert. Die Elastizität des Preises – also die Möglichkeit durch höhere/niedrigere Preise auf den Verbrauch Einfluss zu nehmen – dürfte sich aus den heutigen Prognosefehlern ableiten lassen. Am Beispiel des Februar 2012 würde dies bedeuten, dass hier eine Preiserhöhung zu kaum einer Veränderung in der Stromabnahme geführt hätte. Im Sommer 2012 hingegen schon.
Gerade für die Stromerzeugung aus darbietungsabhängingen Quellen (Wind,Sonne) ist jeder Wert größer Null an benötigter Ausgleichsenergie eine argumentative Belastung und dient zur Rechtfertigung fossiler Stromerzeugung.
Abhilfe könnten hier den Ausbau von dynamischen Lastprofilen sein, bei denen ein Tarifanbieter mit einem gezielten – individuellen Lastprofil – den Bedarf des Kunden eindeckt. Gelingt dem Tarifanbieter eine bessere Prognose als dem Wettbewerber, so wird in der Mischkalkulation für den Kunden der Kostenanteil der Ausgleichsenergie zurückgehen.
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